Geschichte der Schifffahrt auf der Weser
(Dipl.-Ing. und Schiffsführer Jan Kruse)

Die Weser
Hochwasser bei Fuhlen

Die Weser entsteht in Hannoversch Münden durch den Zusammenfluss von Werra und Fulda. Somit verfügt die Weser über keine Quelle, sondern sie wird durch ihre Quellflüsse gebildet. Es wird davon ausgegangen, dass die Werra den Oberlauf und die Weser den Unterlauf eines Flusses darstellen.

Vom Weserstein auf dem Tanzwerder in Hannoversch Münden bis zum Leuchtturm "Roter Sand" in der Deutschen Bucht bei Bremerhaven legt die Weser eine Strecke von 480 km zurück. Das Gesamtgefälle des Flusses beträgt 117 Meter. Die Kilometereinteilung der Weser beginnt in Hannoversch Münden mit Kilometer 0,00 und endet in Bremen mit dem Kilometer 366,68. Ab dort existiert auf der zur Seeschifffahrtsstraße gewordenen Weser eine weitere Einteilung bis zum Leuchtturm "Roter Sand" in der Nordsee.

Die Weser ist in vier Streckenabschnitte eingeteilt:

  • Oberweser (Hannoversch Münden bis Minden)
  • Mittelweser (Minden bis Bremen-Hemelingen)
  • Unterweser (Bremen-Hemelingen bis Bremerhaven)
  • Außenweser (Bremerhaven bis Leuchtturm "Roter Sand")

Frühe Weserschifffahrt

Der Schifffahrtsbereich der Weser war in früherer Zeit sehr viel größer als in der Neuzeit. Die Werra wurde bis Wanfried und die Fulda bis nach Hersfeld regelmäßig mit Schiffen befahren. Bedingt durch die stark schwankenden Wasserstände der beiden Flüsse, der starken Strömung und das unregelmäßige Flussbett wurde die Schifffahrt stark erschwert.

Im 11. Jahrhundert wurden die ersten Schiffe von Menschenkraft zu Berg getreidelt. Da die Ufer zu dieser Zeit noch nicht befestigt waren, ist die Treidelschifffahrt nur sehr unregelmäßig, je nach Wasserständen, möglich gewesen.

Schifffahrt zur Zeit der Hanse

Durch die Einflüsse der Hanse entwickelte sich langsam eine durchgehende Handelsschifffahrt auf Weser, Werra und Fulda. Die immer größer werdenden Städte im Stromgebiet führten untereinander einen ständigen Handel mit Waren ein. Bedingt durch den sehr schlechten Zustand der Landwege wurden zu dieser Zeit die Flüsse als Wasserstraßen für den Transport von Gütern entdeckt.

Aber die Weserschifffahrt wurde durch die vielen Schifffahrtshindernisse wie z.B. die Vlothoer Gosse, das Hamelner Loch, die Latferder Klippen und die Mündener Stromschnellen erschwert, und auch das Stapelrecht, welches einige Städte am Strom für sich als Einnahmequelle entdeckt hatten, erwies sich als nachteilig.

Die Verwaltung der Wasserstraßen lag in den Händen der vielen Uferstaaten, und es fühlte sich keiner so recht für den Ausbau und die Korrektur der Fahrrinne und der Flussufer verantwortlich. Hierdurch bedingt konnte sich die Schifffahrt auf der Weser nicht so entwickeln, wie dies unter besseren Bedingungen möglich gewesen wäre.

Die Schiffergilden

Durch den allgemeinen Niedergang der Wirtschaft im 17. Jahrhundert verwahrlosten das Flussbett und die Ufer immer stärker. Da die Schiffer von Seiten der Anliegerstaaten keine Hilfe bekamen, schlossen sich 1640 die Mündener Schiffer zu einer Gilde zusammen. Die Vlothoer Schiffer taten 1669 das Gleiche und gründeten ebenfalls eine Gilde.

Diese beiden Zusammenschlüsse beherrschten sehr schnell die gesamte Weser. Die Mündener Gilde war für die Instandsetzung zwischen Hannoversch Münden und Hameln verantwortlich und die Vlothoer Gilde von Hameln bis Bremen. Für diese Leistung erhoben beide Gilden von der Schifffahrt Abgaben. Die Mündener erhoben die Gelder in Grohnde und die Vlothoer in Vlotho.

Diese beiden Abgaben waren bei weitem nicht die einzigen Zahlungen, die die Schiffer auf ihren Reisen leisten mussten. Auf der Strecke von Hannoversch Münden bis Bremen gab es zusätzlich 24 Zollstätten, die nach unterschiedlichen Tarifen jeweils Schiffs- und Warenzoll erhoben. An der Oberweser waren die Stationen in:

  • Hannoversch Münden (preußisch)
  • Gieselwerder (hessisch)
  • Herstelle (preußisch)
  • Beverungen (preußisch)
  • Lauenförde (hannoversch)
  • Höxter (preußisch)
  • Holzminden (braunschweigisch)
  • Polle (hannoversch)
  • Grohnde (hannoversch)
  • Ohsen (hannoversch)
  • Hameln (hannoversch)
  • Rumbeck (hessisch)
  • Rinteln (hessisch)
  • Erder (lippisch)
  • Vlotho (preußisch)
  • Hausberge (preußisch)

Auch gab es noch das Stapelrecht der Städte Münden, Minden und Bremen und die zu zahlenden Abgaben bei dem Passieren des Hamelner Loches.

Bis zum Ende des 17. Jahrhunderts wurden die Schiffszüge noch ausschließlich von Menschenkraft zu Berg gezogen, erst dann wurden vereinzelt auch Pferde mit zum Treideln eingesetzt. Der Leinpfad hierfür befand sich in einem sehr schlechten Zustand oder war noch gar nicht vorhanden. Zusätzlich wechselte dieser sehr häufig die Uferseiten, so dass die Menschen oder Pferde erst mühsam über den Fluss gesetzt werden mussten.

Beim Neubau der gepflasterten Leinpfade waren die Anliegerstaaten in den meisten Fällen gezwungen, den Landbesitzer für seinen verwendeten Grund zu entschädigen. Oft kam es deshalb zu langwierigen Auseinandersetzungen mit den Eigentümern, die zum Teil bis 1830 andauerten.

Die beiden Schiffergilden setzten sich im Laufe der Zeit so bei den Uferstaaten für die Schifffahrt ein, dass allmählich von den Staaten mit dem Ausbau des Fahrwassers begonnen wurde. 1715 beschlossen die Länder Preußen und Lippe die größten Steine aus dem Strom zu beseitigen. Das größte Hinternis für die Weserschifffahrt, das Hamelner Loch, war aber noch für Jahre ein heftiger Streitpunkt der Anliegerstaaten und Gilden. Erst nach langwierigen Verhandlungen und verschiedenen Konferenzen wurde 1732/33 die erste Kammerschleuse, die vom Land Hannover finanziert wurde, in Hameln errichtet.

Zeitgleich erlebte die Weserschifffahrt einen enormen Aufschwung, da wegen des englisch-holländischen Krieges die Rheinmündungshäfen blockiert waren. Teilweise wurden deshalb die Güter über die Weser umgeleitet und ab Münden auf dem Landweg weitertransportiert. Aber schon 1807 gab es durch die von Napoleon verhängte Kontinentalsperre einen großen Einbruch für die Weserschifffahrt, so dass die meisten Schiffer vor ihrem Ruin standen.

So verbesserte Preußen das Fahrwasser auf seinem Gebiet und erließ sogar eine Strom- und Uferbauordnung. Aber auch Kurhessen setzte sich für die Weserschifffahrt ein, während das Land Hannover als einziger Weseranlieger versuchte die Schifffahrt auf der Weser zu erschweren. Deshalb wurde auch der von Preußen angeregte vollkommene Wechsel vom Menschen- zum Pferdezug von Hannover blockiert.

Wiener-Kongreß und die Weserschifffahrts-Akte

Der "Wiener Kongreß" 1815 brachte der Weserschifffahrt erhebliche Verbesserungen. Wie bei diesem Kongress geplant, kam es am 10. September 1823 zur Unterzeichnung der Weserschifffahrts-Akte durch die sieben Weseruferstaaten. Hier verpflichteten sich die Länder, die Stapel- und Umschlagsrechte zu beseitigen, einen festen Weserzoll einzuführen und den Fluss durchgehend zu regulieren.

Ab 1825 wurden deshalb die Zollstellen von 22 auf 11 reduziert. Alle Zollstellen erhoben von nun an die gleichen Zollsätze. Die beiden Schiffergilden brauchten sich jetzt nicht mehr um das Fahrwasser der Weser zu kümmern, dies wurde nun von den Uferstaaten konsequent selber durchgeführt.

1838 wurde die Weserschifffahrts-Revisionskommision von den Anliegerstaaten ins Leben gerufen. Diese Kommission ließ das Fahrwasser so ausbauen und regulieren, dass eine Mindestfahrwassertiefe bei Niedrigwasser von 0,47 m auf der gesamten Strecke von Hannoversch Münden bis Bremen erreicht wurde. Zusätzlich sind die Treidelwege weiter verbessert worden, so dass der Betrieb auf der gesamten Strecke nun mit Pferdezug möglich war.

Das erste Dampfschiff auf der Weser

Die wahrscheinlich größte Veränderung der Weserschifffahrt trat im März 1819 ein, als das Dampfschiff "Herzog von Cambridge" in Bremen zur Fahrt nach Hannoversch Münden ablegte. Am 9. März 1819 begann dieser Raddampfer die 366 km lange Bergfahrt nach Hann. Münden, wo das Schiff am 20. März ankam. Bereits bei dieser Jungfernfahrt musste aber festgestellt werden, dass die Dampfmaschine mit ihren 14 PS viel zu schwach für den Dampfer war. Trotz nur geringer Zuladung war auch der Tiefgang für die Oberweser viel zu groß. Oberhalb von Hameln mussten dann sogar Pferde vorgespannt werden, um die vielen Fahrwasserengen überwinden zu können. Nach einer viertägigen Talfahrt von Hann. Münden nach Bremen endete dann bereits der Einsatz dieses Schiffes.

Trotzdem wurden die Weserschiffe um die Mitte des 19. Jahrhunderts stetig größer. Die Tragfähigkeit neuer Schiffe war um etwa 100 t auf bis zu 170 t angestiegen. Diese Schiffe wurden jetzt ausschließlich von Pferden getreidelt. Obernkirchener- und Sollingsandstein, der nach Bremen gebracht und von dort nach Amerika und Indien exportiert wurde, war ein wichtiges Transportgut.

Die Fahrgastschifffahrt auf der Weser

1842 gründete man in Hameln die Vereinte Weser-Dampfschifffahrt, um eine regelmäßige Personenschifffahrt zwischen Hannoversch Münden und Bremen zu betreiben. Dies war die Geburtsstunde der Fahrgastschifffahrt auf der Weser.

Die neu entstandene Gesellschaft stellte bis Anfang 1846 gleich fünf neu erbaute Dampfer in Dienst. Diese wurden hauptsächlich als Verkehrsmittel genutzt, aber auch die ersten Ausflügler konnten schon transportiert werden. Häufiges Niedrigwasser und der allgemein schlechte Zustand des Weserfahrwassers brachten keinen großen wirtschaftlichen Erfolg.

Die Umläufe der Schiffe waren aufeinander abgestimmt, und somit war eine zuverlässige Schifffahrtslinie zwischen Hann. Münden und Bremen entstanden. Größere Zwischenstationen auf dieser Strecke sind Holzminden, Hameln, Minden und Nienburg gewesen. Mit dem Bau immer weiterer neuer Eisenbahnstrecken kam die Gesellschaft in wirtschaftliche Schwierigkeiten und musste im Herbst 1857 liquidieren.

Ab 1848 fuhren die Dampfer unter der Regie der bekannten Reederei Norddeutscher Lloyd aus Bremen. Ein großer Geschäftszweig dieser Reederei war der Transport von Auswanderern. Diese wurden nun nicht erst mit den Seeschiffen transportiert, sondern sie nutzten schon die Möglichkeit, an der Oberweser ein Schiff zu besteigen auf ihrer Fahrt in die neue Welt.

Aber auch diese Schifffahrtsgesellschaft musste 1873 die Weserschifffahrt aufgeben, da die Eisenbahn den Konkurrenzkampf gewonnen hatte. Zwei Dampfer kaufte W. Lampe aus Hameln, um mit ihnen fortan in den Sommermonaten zwischen Hannoversch Münden und Hameln eine Schifffahrtslinie zu betreiben. Nach zwei Jahren mit sehr starkem Niedrigwasser musste auch Lampe aufgeben. Aber ein weiterer Hamelner wagte sich an die Fahrgastschifffahrt auf der Oberweser. J. Meyer kaufte die beiden Dampfer "Hermann" und "Armin" und gab in Dresden einen Neubau in Auftrag. Dieser Dampfer wurde 1877 abgeliefert. Der "Fürst Bismarck" war mit nur 40 cm Tiefgang für die Oberweser sehr gut geeignet. Aber die Bevölkerung und Gäste im Weserbergland zeigten sehr wenig Interesse an Ausflugsfahrten mit dem Dampfschiff, so dass auch diese Reederei Ende 1882 aufgab.

Die Oberweser-Dampfschifffahrt in Hameln

Die Wesermühle in Hameln nutzte mit der Ersteigerung des "Fürst Bismarck" die Chance, auch in die Fahrgastschifffahrt einzusteigen. Am 19. Mai 1883 begann das Schiff mit Linienfahrten zwischen Hannoversch Münden und Hameln. Dies war die Geburtsstunde der Oberweser-Dampfschifffahrt (OWD). Zu dieser Zeit entwickelte scih der Fremdenverkehr im Weserbergland sehr gut, so dass dank starker Werbung die Fahrgastzahlen ständig zunahmen.

So konnte 1899 ein neues Schiff bestellt werden. Die Dresdener Maschinenfabrik & Schiffswerft AG lieferte im Mai 1900 den Raddampfer "Kaiser Wilhelm" an die OWD ab.

Die Hecht

Dieses Schiff war nun für die nächsten 70 Jahre zwischen Hann. Münden und Hameln im Einsatz. Erst 1970 wurde die "Kaiser Wilhelm" nach Lauenburg an der Elbe verkauft. Hier ist der Dampfer noch heute als Museumsschiff im Originalzustand im Dienst. Nachdem die OWD 1906 ein eigenständiges Unternehmen geworden war, übernahm man von der Sächsisch-Böhmischen Dampfschifffahrts-Gesellschaft bis 1910 vier weitere Raddampfer. Auf der 135 km langen Weserstrecke zwischen Hann. Münden und Hameln konnte nun ein umfangreicher Fahrplanverkehr durchgeführt werden.

Die ersten Motorschiffe auf der Weser

Nachdem auf anderen Flüssen sehr gute Erfahrungen mit motorbetriebenen Schraubenschiffen gemacht wurden, ließ die OWD zwischen 1925 und 1937 fünf neuartige Schiffe bauen. Diese fügten sich sehr gut in die Flotte ein. Im 2. Weltkrieg beschlagnahmte die Wehrmacht zwei Raddampfer und setzte diese auf der Weichsel ein, von wo sie nie zurückkehrten. Auch drei Motorschiffe erlitten 1945 im Hafen von Hameln durch Beschuss starke Schäden.

Als die zerstörten Brücken und Schiffe auf der Weserstrecke beseitigt waren, kamen nach und nach die Raddampfer und Motorschiffe wieder in Fahrt. Um den höheren Ansprüchen der Fahrgäste gerecht zu werden, begann 1967 eine komplette Erneuerung der Flotte. Mit dem "Kaiser Wilhelm" wurde 1970 der letzte Dampfer außer Dienst gestellt. 1983 konnte dann das letzte alte Motorschiff, die "Stör" ausgemustert werden.

Die in Bodenwerder und Uffeln bei Vlotho entstandenen Neubauten waren speziell für die Oberweser konstruiert. Der Tiefgang der Schiffe belief sich zwischen 85 und 60 cm bei voller Beladung. So konnte mit nur wenigen Ausnahmen auch bei extremem Niedrigwasser gefahren werden. 1992 kam es mit dem Aufkauf einer privaten Reederei in Hameln zu einer starken Veränderung im Angebot. Jetzt wurden neben dem Linienverkehr auch örtliche Rundfahrten angeboten. Aber die OWD blieb weiterhin abhängig von Zuschüssen der Weseranlieger. Da die Gesellschafter im Herbst 2002 die hohen Verluste der abgeschlossenen Saison nicht mehr decken wollten, musste die OWD im Februar 2003 nach 120 Jahren liquidiert werden.

Die größte Reederei auf der Weser ist die im Frühjahr 2003 gegründete "Flotte Weser". Dieses Unternehmen übernahm vier ehemalige OWD Schiffe und befährt mit ihren acht Schiffen ("Bodenwerder", "Dornröschen", "Hameln", "Holzminden", "Karlshafen", "Höxter", "Stadt Verden" und "Nienburg") nach einem festen Fahrplan die Strecken Bad Karlshafen-Hameln und Minden-Bremen.